Arbeitnehmer und Arbeitgeber unterhalten sich über Überstundenregelung

Über­stundenrege­l­ungen im Arbeits­recht

Erhalte einen Überblick über die wichtigsten Arbeitsgesetze, die Überstunden regulieren und erfahre, was du in Bezug auf Überstunden beachten solltest.

Überstunden rücken in den Fokus

In der Debatte rund um die gesetzliche Arbeitszeiterfassung wird auch das Thema Überstunden in den Fokus gerückt. Denn wo Arbeitszeiten erfasst werden, werden auch Minus- und Überstunden dokumentiert. Aber was genau passiert mit den Überstunden? Arbeitsgesetze und Unternehmensrichtlinien können die Vergütung, die maximale Anzahl von Überstunden oder andere Aspekte von Überstunden regeln. In diesem Artikel werden wir einen Überblick über die wichtigsten Arbeitsgesetze geben, die Überstunden regulieren und dabei sowohl die Perspektive der Arbeitgebenden als auch der Arbeitnehmenden berücksichtigen. Erfahre, welche Regeln gelten und was du in Bezug auf Überstunden beachten solltest.

Im Folgenden werden viele Begriffe aus Gesetzestexten verwendet. Um den Gesetzeswortlaut nicht zu verändern, wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

Du schaust lieber, statt zu lesen? In diesem Video haben wir die wichtigsten Fakten für dich zusammengefasst.

Welche gesetzlichen Regelungen existieren, die Überstunden regeln?

1. Entstehung von Überstunden

Nach § 3 ArbZG darf die tägliche Arbeitszeit acht Stunden nicht überschreiten. Ausnahmsweise darf ein Arbeitnehmer aber bis zu zehn Stunden pro Tag arbeiten, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden, § 3 ArbZG. Legen die Parteien in dem Arbeitsvertrag einen bestimmten zeitlichen Umfang der zu erbringenden Arbeitsleistung (Regel- oder Normalarbeitszeit) fest, betrifft die Vergütungspflicht zunächst (nur) die Vergütung der vereinbarten Normalarbeitszeit. Erbringt der Arbeitnehmer Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang, ist der Arbeitgeber zu deren Vergütung nur verpflichtet, wenn er die Leistung von Überstunden veranlasst hat oder sie ihm zumindest zuzurechnen ist. Denn der Arbeitgeber muss sich Leistung und Vergütung von Überstunden nicht aufdrängen lassen, und der Arbeitnehmer kann nicht durch überobligatorische Mehrarbeit seinen Vergütungsanspruch selbst bestimmen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Vergütungspflicht für Überstunden auf arbeitsvertraglicher Vereinbarung, tarifvertraglicher Verpflichtung des Arbeitgebers oder § 612 I BGB beruht. (BAG, NZA 2013, 1100)

Es ist Sache des Arbeitgebers, im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen und seines Direktionsrechts nach § 106 GewO dem Arbeitnehmer in qualitativer und quantitativer Hinsicht die zu erbringende Arbeitsleistung zuzuweisen. Der Arbeitnehmer kann sich nicht über die vertraglichen Vereinbarungen hinaus selbst Arbeit „geben“ und seinen Arbeitsumfang erhöhen. (BAG, NZA 2022, 1267)

Überstunden liegen also nur vor, wenn der Arbeitgeber sie angeordnet, gebilligt oder geduldet hat oder sie jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen sind. (BAG, NZA 2013, 1100)

Die Befugnis des Arbeitgebers zur Anordnung von Überstunden folgt regelmäßig aus dem Arbeitsvertrag oder ergibt sich entsprechend Treu und Glauben aus den Nebenpflichten des Arbeitsverhältnisses. (Werner, BeckOK Arbeitsrecht, Rn. 67)

Ohne ausdrückliche Regelung ist der Arbeitnehmer grundsätzlich nicht verpflichtet, Überstunden zu leisten. (Preis, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, Rn. 755) Hiervon stellen Not- und Katastrophenfällen jedoch eine Ausnahme dar. (ArbG Leipzig, Urteil vom 4.2.2003, DB 2003, 1279) § 14 ArbZG gibt keinen Anspruch des Arbeitgebers auf Leistung von Überstunden. (Preis, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, Rn. 755)

Eine geringfügige Überschreitung der in Dienstplänen festgelegten regelmäßigen Arbeitszeit der Arbeitnehmer stellt keine Anordnung zur Ableistung von Überstunden dar (BAG 23.3.1999, AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 80; Fitting Rn. 140).

Zumutbar muss die Ableistung von Überstunden immer sein, denn unzumutbare Überstunden dürfen nicht angeordnet werden. (Peters, Peters, Das Weisungsrecht der Arbeitgeber, Rn. 444)

Nach § 8 MuSchG dürfen sowohl werdende als auch stillende Mütter und nach § 8 JarbSchG Jugendliche keine Überstunden ableisten.

2. Ausgleich für Überstunden

Für die Vergütung von Über- oder Mehrarbeit bestehen keine besonderen gesetzlichen Regelungen. Ob und ggf. wie die über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit geleistete Tätigkeiten zu vergüten ist, hängt von den für das Arbeitsverhältnis maßgeblichen Vereinbarungen ab. (Ulrich Koch, Schaub/Koch, Arbeitsrecht von A-Z)

Die Arbeitsvertragsparteien können als Ausgleich für geleistete Zusatzstunden einen zu gewährenden Freizeitausgleich oder ein zu zahlendes Überstundenentgelt vereinbaren. Eine Entscheidung zwischen diesen zwei Alternativen kann auch optional entweder die Arbeitgeberin oder der Arbeitnehmer treffen. Haben die Arbeitsvertragsparteien keinen Freizeitausgleich für Überstunden vereinbart, so sind die Überstunden zu vergüten (§ 612 BGB). (Peters, Peters, Das Weisungsrecht der Arbeitgeber, Rn. 454)

Beinhaltet der Arbeitsvertrag eine Vereinbarung, die besagt, dass Mehrarbeit pauschal mit dem Gehalt oder Lohn abgegolten sind, ist diese nach § 307 Absatz 1 BGB unwirksam. So hat es auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seinem Urteil (Az. 5 AZR 517/09) bestätigt. Es sieht hierdurch das Transparenzgebot verletzt.

3. Verjährung von Überstunden

Nach § 195 BGB beträgt die hier zur Anwendung gelangende regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre Die Verjährungsvorschriften finden sowohl auf die Freizeitausgleichs- als auch auf die finanziellen Abgeltungsansprüche für geleistete Überstunden Anwendung. Die Fälligkeit tritt wie für jeden anderen Vergütungsanspruch am Monatsende ein, § 614 BGB. (LAG Hessen, BeckRS 2010, 72957) Die Frist kann jedoch durch einen Tarif- oder Arbeitsvertrag verkürzt werden.  Die Dauer der angemessenen Ausschlussfrist darf sich nicht an der unteren Grenze der genannten Fristen orientieren. Nach Auffassung des Senats ist eine Frist für die erstmalige Geltendmachung von weniger als drei Monaten unangemessen kurz. (BAG, NZA 2006, 149)

Gibt es Ausnahmen, was den Ausgleich von Überstunden angeht?

In gesetzlichen Vorschriften finden sich keine Vergütungsregelungen für geleistete Überstunden. (Ulrich Koch, Schaub/Koch, Arbeitsrecht von A-Z)

Liegen die Voraussetzungen für Überstunden vor, ist zu fragen, ob der Unternehmer sie sodann auch zu vergüten hat. Unproblematisch ist das Ergebnis, wenn der anwendbare Tarifvertrag oder die arbeitsvertraglichen Regelungen eine Vergütung für Überstunden (ggfs. mit Überstundenzuschlägen) vorsieht.

Zudem bestimmt § 17 III BBiG für Auszubildende, dass eine über die vereinbarte regelmäßige tägliche Ausbildungszeit hinausgehende Beschäftigung besonders zu vergüten oder durch entsprechende Freizeit auszugleichen ist. (Raif/Nann, ArbRAktuell 2016, 204)

Im Übrigen richtet sich ein Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers aber wie so oft nach der (berechtigten) Erwartungshaltung. Gemäß § 612 I BGB gilt eine Vergütung nur dann als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Ob der Arbeitnehmer die Vergütung von Überstunden erwarten kann, ist dabei stets anhand eines objektiven Maßstabes unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, der Art, des Umfangs und der Dauer der Dienstleistung sowie der Stellung der Beteiligten zueinander festzustellen, ohne dass es auf deren persönliche Meinung ankommt. (BAG, NZA 2001,458)

1. Zahlung einer herausgehobenen Vergütung

Hingegen kann ein Arbeitnehmer eine Vergütung von Überstunden nicht erwarten, wenn sein Gehalt bereits deutlich über dem Durchschnittsverdienst seiner Arbeitskollegen liegt. Arbeitnehmer, deren Gehalt die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung überschreitet, können demnach keine objektive Vergütungserwartung für Überstunden haben. (BAG, NZA 2012, 861)

2. Dienste höherer Art

Dasselbe hat bei Arbeitnehmern zu gelten, die Dienste höherer Art (§ 627 BGB) ausüben. Derartige besondere Dienste zeichnen sich dadurch aus, dass den Arbeitnehmern ein überdurchschnittliches Maß an Fachkenntnis, Kunstfertigkeit oder wissenschaftlicher Bildung sowie eine hohe geistige Fantasie oder Flexibilität zukommt und sie deshalb über eine herausgehobene Stellung verfügen. Allerdings kann man nicht bei allen Mitgliedern dieser Berufsgruppen eine objektive Vergütungserwartung verneinen. Erforderlich ist eine besondere Vertrauensstellung oder eine besonders herausgehobene Position innerhalb der Berufsgruppe. (Raif/Nann, ArbRAktuell 2016, 204)

3. Leitende Angestellte und sonstige Personen nach § 18 I ArbZG

Auch leitende Angestellte, die gem. § 18 I Nr. 1 ArbZG nicht unter die gesetzlichen Vorschriften zur Arbeitszeit fallen, sollten nach objektiven Maßstäben grundsätzlich nicht die Erwartung haben, Überstunden ausgezahlt bzw. einen entsprechenden Zahlungsanspruch zu haben. (BAG, NZA 2011, 1335) Auch Mitarbeiter in Vertrauensarbeitszeit werden regelmäßig keine Überstundenvergütung erwarten können. Fraglich ist, ob dies generell auch bei den in § 18 I Nr. 2 bis 4 ArbZG genannten Personengruppen, etwa bei Leitern von öffentlichen Dienststellen, zu gelten hat. Hierfür spricht, dass sie ebenso von dem Anwendungsbereich des ArbZG ausgenommen sind und dass auch bei ihnen wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit die Arbeitszeit nicht genau messbar oder im Voraus festlegbar ist. (Raif/Nann, ArbRAktuell 2016, 204)

Was muss der Arbeitgebende tun, um die gesetzlichen Regelungen von Überstunden zu befolgen?

1. Anordnung von Überstunden

Der Arbeitgeber hat bei der Ausübung eines arbeitsvertraglich vereinbarten Rechts zur einseitigen Anordnung von Überstunden die Grundsätze billigen Ermessens im Sinne des § 315 BGB zu achten. Infolgedessen muss er eine angemessene Ankündigungsfrist wahren, um dem Arbeitnehmer auf zumutbare Weise zu ermöglichen, sich auf eine vorher zeitlich nicht festgelegte Inanspruchnahme seiner Arbeitskraft einzustellen. (Thüsing, Westphalen, Graf von/ Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Rn. 153)

Die Ableistung von Überstunden muss immer zumutbar sein, denn unzumutbare Überstunden dürfen nicht angeordnet werden. (Peters, Peters, Das Weisungsrecht der Arbeitgeber, Rn. 444)

2. Arbeitszeiterfassung

Die Arbeitgeber sind dazu verpflichtet, ein objektives, verlässliches und zugängliches System der elektronischen Zeiterfassung im Betrieb einzuführen. (EuGH, Urteil vom 14.05.2019, C-55/18, NZA 2019, 683)

3. Abbau von Überstunden

Der Vorgesetzte legt den Zeitpunkt des Freizeitausgleichs fest. Vom Weisungsrecht ist nicht nur das Recht der zeitlichen Festlegung der Arbeitszeit umfasst, sondern auch umgekehrt der Zeitpunkt des Abbaus der Überstunden. Der Freizeitausgleich muss nicht für volle Tage gewährt werden. Er dient nicht Erholungszwecken wie der Urlaub, der grundsätzlich nur tageweise gewährt werden darf und für den folglich eine stundenweise Stückelung grundsätzlich nicht erlaubt ist. Der Ausgleich in Freizeit wird allein dafür gewährt, dass der Arbeitnehmer an anderen Tagen bereits Arbeitsleistungen erbracht hatte. Bei der Festlegung des Freizeitausgleichs sind zugleich die Interessen des Betroffenen zu berücksichtigen. Es muss eine angemessene Ankündigungsfrist gewahrt werden, damit der Betroffene sich noch in ausreichender Zeit auf die zusätzliche Freizeit einstellen kann. Wie lange eine angemessene Ankündigungsfrist sein sollte, hängt vom Einzelfall ab.

Eine Erkrankung während der Freistellung führt nicht zu einem erneuten Freistellungsanspruch. Die einen Überstundenausgleich bezweckende Arbeitsbefreiung erfordert nur die Entbindung von der vertraglichen Arbeitspflicht im Umfang der geleisteten Überstunden. Es besteht kein Anspruch auf die Verschaffung einer zu Erholungszwecken nutzbaren arbeitsfreien Zeit. (Peters, Peters, Das Weisungsrecht der Arbeitsgeber, Rn. 458/459)

Je nach Kontext und Perspektive haben Überstunden unterschiedliche Bedeutungen. Für den einen bedeuten sie zusätzliche Einkünfte, oder eine bessere Work-Live Balance, für andere sind sie eine zusätzliche Belastung oder stehen für ineffiziente Arbeitsprozesse. Arbeitgebende sollten zu jederzeit sicherstellen, dass die Gesetze entsprechend eingehalten werden. Darüber hinaus haben Unternehmen aber noch Spielraum, den Umgang mit Überstunden im Unternehmen individuell zu definieren. Unternehmensspezifische Regelungen bezüglich Überstunden sollten in Arbeitsverträgen festgehalten werden, um Konflikte und rechtliche Probleme zu vermeiden.

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